Tausendgüldenkraut: Bittere Schönheit

Es fördert den Appetit, bekämpft Magersucht und heilt verschiedene Magenleiden. Das Tausendgüldenkraut gilt seit dem Altertum als wirksames Heilmittel. Die kleine Pflanze schmeckt äußerst bitter und genau darin liegt ihre Stärke.

Das heute eher unbekannte Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) wurde als Heilpflanze bereits im Altertum von Aristoteles, Hippokrates und Plinius als wirksames Mittel gegen Magenleiden beschrieben. Die wunderschöne Pflanze ist nicht immer leicht anzutreffen, denn sie wächst im dichten Gras scheinbar im Verborgenen. Früh morgens wenn die Sonne scheint, beginnen sich die hübschen Blüten zu öffnen. Dann tummeln sich eine Vielzahl von Faltern um sie herum, die sie bestäuben. Die schön anzuschauenden «fliegenden Edelsteine» werden in der Blütezeit zwischen Juli und Oktober wie magisch von ihrem Nektar angelockt. Das Echte Tausengüldenkraut gehört zu den streng geschützten Pflanzen, sie sollte daher nicht gesammelt, sondern aus Drogerien, Apotheken und Online-Shops bezogen werden. Diese Arzneidroge stammt aus Importen der Länder Marokko, Bulgarien und Ungarn. Als Alternative zum Sammeln ist ihr Saatgut im Handel erhältlich, so dass die Pflanze auch im eigenen Kräutergarten angebaut werden kann.

Chiron ein Doppelwesen

Die hübsche Pflanze verdankt seinen Namen dem heilkundigen Chiron, der aus der Familie der Centauren stammte. Er war der Sohn der Nymphe Phylira und des Titanen Kronos. Aus dieser Verbindung entstand Chiron, ein Doppelwesen zwischen Pferd und Mensch. Chirons Kenntnisse in der Arzneikunde waren unübertroffen gut, nach Homer war er der erste, der über die Pflanzen und speziell auch über das Tausendgüldenkraut lehrte. Er lebte in einer Höhle im Peliongebirge in Nordgriechenland, von wo er auch den bekannten Helden Herakles, Asklepios (Äskulap), Jason und Achilles seine Kenntnisse weiter vermittelte. Chiron verkörpert als Doppelwesen zum einen das geistig-göttliche und zum anderen auch das erdhafte Element mit seinen Instinkten und Bedürfnissen. Es symbolisiert sozusagen den Zwiespalt des menschlichen Daseins, in dem einerseits das Streben nach Höherem und andererseits natürliche Triebe zum Ausdruck kommen. Das Tausendgüldenkraut wächst nicht wie ihr Bruder der Enzian in höheren Gefilden, sondern in Niederungen an Waldlichtungen, Wegrändern und im Grasland. Sie hat sich vom Standort der Familie gelöst und andernorts angesiedelt. Im hohen Gras wächst sie im Gegensatz zum Enzian im Verborgenen und kann auf Anhieb nicht so leicht entdeckt werden wie ihr Bruder, der meist auf Bergweiden anzutreffen ist. Der Stängel des Tausendgüldenkrautes hat sich seiner Umgebung angepasst und ist im Verhältnis zu den zarten Blüten vierkantig, zäh und robust. Dieser grobe Gegensatz zwischen den leuchtendfarbenen zarten Blüten und dem groben Stängel bildet die Brücke zwischen dem geistigen und erdhaftem Element, wie es bei Chiron dem Doppelwesen beschrieben wird.

Aus Hundert mach Tausend

Bezüglich des lateinischen Namens «Centaurea» ergibt sich noch eine weitere Deutungsweise. «Centum» heisst «Hundert» und «Aurum» heisst «Gold». Daraus entwickelte sich das «Hundertguldenkraut». Ab dem 15. Jahrh. wurde es in Tausendgüldenkraut umbenannt. In der Volksheilkunde bezeichneten die Menschen das Kraut als Kraftpflanze. So wurden ihr wie vielen anderen rotblühenden Pflanzen übernatürliche Kräfte zugeschrieben. In alten Kräuterbüchern ist deshalb oft von dem «roten Aurin» oder dem «wilden Laurin» die Rede. Aber auch andere Namen wie Aderntee, Gall-, Magen- oder Bitterkraut deuten auf Eigenschaften der Pflanze hin.

Gelbsucht und Malaria

Hippokrates und Plinius empfahlen Tausendgüldenkraut wegen des bitteren Geschmackes als Mittel gegen Gelbsucht und Magenbeschwerden. Plinius gab der Pflanze die Bezeichnung «Fel terrae», was soviel wie «Erdgalle» bedeutet. Albertus Magnus (1193 bis 1280), Bischof von Regensburg, Botaniker und Universaldoktor schrieb über das Tausendgüldenkraut, dass es mehrere Arten dieser Pflanze gebe, jedoch jede davon wärmend und trocknend sei. Die Wurzel des Tausendgüldenkrautes hat eine zusammenziehende Wirkung, in frischem Zustand verschliesst es Wunden und alte Geschwüre, in trockenem Zustand zerrieben und als Pflaster aufgelegt, festigt es Fisteln. Die Ärzte der frühen Neuzeit verwendeten das Tausendgüldenkraut, das von ihnen oft als «Fieberkraut» bezeichnet wurde, auch anstelle der Chinarinde bei Wechselfieber (Malaria). Im 18. und 19. Jahrhundert boten auch die «Buckelapotheker» des Thüringer Waldes das Tausendgüldenkraut als Ersatz für die nur schwer zu bekommende, fiebersenkende Chinrarinde an. Sie waren Händler, die mit ihren geflochtenen Körben auf dem Rücken Naturheilmittel (Olitäten) in Tonkrügen, Schachteln und Glasflaschen verpackt europaweit vertrieben.

Botanischer Steckbrief

Die derzeitige wissenschaftliche Bezeichnung des echten Tausendgüldenkrautes lautet Centaurium erythraea RAFINESQUE-SCHMALTZ und ist der Familie der Enziangewächse (Gentianaceae) zugeordnet. Die ein- bis zweijährige Pflanze wird bis zu 40 Zentimeter hoch. Sie kommt vorwiegend auf sonnigen, feuchten bis frischen Wiesen und Waldlichtungen, aber auch auf Trockenhängen bis 1400 Meter vor und ist in Europa, Nordafrika und Nordamerika heimisch. Je nach Standort können viele Exemplare in Gruppen zusammenstehen. Aus einer hellen Pfahlwurzel bildet sich der vierkantige zähe robuste Stängel. Die grundständige Blattrossette wird oft übersehen, da diese meist schon während der Blütezeit verwelkt ist. Die mattgrünen Stängelblätter sind kreuzgegenständig, sitzend und länglich oval angeordnet. Ebenso wie die Grundblätter sind sie ganzrandig und unbehaart. Die Blätter besitzen auffällige fünf parallellaufende Blattnerven. Die rosa Blüten stehen in einer endständigen, dichten Doldentraube zusammen. Umgeben von einem fünfzipfeligen Kelch endet die Kronröhre in fünf roten Blütenteilen. Diese öffnen sich bei Sonnenschein sternförmig. Die Pflanze liebt kalkreiche und lehmige Böden, sie wächst jedoch auch an sandigen und moorigen Standorten. Das Tausendgüldenkraut schmeckt in allen Teilen extrem bitter.

Die Gruppe der Amara

Zu Heilzwecken wird das blühende Kraut verwendet, das neben Bitterstoffen auch Flavonoide (Pflanzenfarbstoffe), Xanthone, Triterpene, Phenylcarbonsäurederivate sowie etwas ätherisches Öl enthält. Die genannten Stoffe stellen zum Teil Polyphenole dar, die antioxidative, krebsvorbeugende und entzündungshemmende Eigenschaften aufweisen. Das Tausendgüldenkraut ist eine ausgeprochene Bitterpflanze und gehört zur Gruppe der Amara. Als Amara werden Drogen bezeichnet, die Bitterstoffe enthalten. Diese fördern die Sekretion der Verdauungssäfte vor allem im Magen, woraus sich eine appetitanregende Wirkung ergibt. Die Bitterdrogen werden in verschiedene Untergruppen aufgeteilt. Die «Amara tonica», enthalten hauptsächlich Bitterstoffe. Sie wirken auf die Sekretion und Motorik des Verdauungstraktes und sind allgemein tonisierend. Sie gelten als gutes Aufbau- und Kräftigungsmittel bei körperlicher und seelischer Schwäche sowie nach längerdauernder Erkrankung, um die Rekonvaleszens zu verkürzen. Zu dieser Gruppe werden neben dem Tausendgüldenkraut auch der Enzian und der Bitter- oder Fieberklee gezählt. In der nächsten Gruppe, den «Amara aromatica» sind neben den Bitterstoffen noch ätherische Öle enthalten. Die Öle wirken zusätzlich krampflösend, gallefördernd, entzündungshemmend und blähungstreibend. Zu dieser Gruppe gehören das Benediktenkraut, Engelwurz (Angelika), Schafgarbe, Wermut und Kalmus. Die «Amara acria» enthalten neben den Bitterstoffen noch Scharfstoffe, wie sie beispielsweise auch im Galgant, Gelbwurz oder Ingwer enthalten sind. Diese Stoffgruppe wirkt ebenfalls krampflösend.

Im Focus der Wissenschaft

Bei wissenschaftlichen Untersuchungen wurde im Tausendgüldenkraut eine weitere Gruppe von Stoffen gefunden, die als Eustomine bezeichnet werden. Eustomine sind tumorschützende Substanzen, die im «Ames-Test» eine krebsfördernde Aktivität von verschiedenen Mutagenen verhindern. Der Ames-Test ist ein Verfahren, um Mutagene identifizieren zu können, denn diese verändern Informationen in den Zellen des Körpers und wandeln diese dadurch in Tumorzellen um. Laut Test verhindern die Eustomine genau diesen Umbau. Die bisherigen Ergebnisse wurden experimentell durchgeführt, eine sichere Aussage bezüglich der Wirksamkeit für den Menschen liegen derzeit nicht vor.

Wirkung über die Zunge

Das Tausendgüldenkraut hat einen Bitterwert von 1:3500, was bedeutet, dass ein wässriger Auszug aus dem Kraut noch in einer 3500fachen Verdünnung einen bitteren Geschmack besitzt. Der gelbe  Enzian dagegen hat einen Bitterwert von 1:10000 und ist somit der absolute Spitzenreiter unter den einheimischen Arzneidrogen. Die wertvollen Bitterstoffe wirken appetitanregend, indem sie reflektorisch zu einer erhöhten Sekretion von Speichel und Verdauungssäften führen. Die Erregung geht von den Geschmacksknospen des Zungengrundes aus und reizt den Vagusnerv. Dadurch werden im Magen die Verdauungssäfte so richtig aktiviert. Der Appetit wird angeregt, die Entleerung des Magens nach dem Essen wird beschleunigt, aber auch die Aufnahme von Nährstoffen wird gefördert. Da die Wirkung von den Geschmacksnerven ausgeht, sollten die Bittermittel nie in Form von Kapseln, Tabletten oder Dragees eingenommen werden, sondern stets in Form von Einzeltees, Magenteemischungen oder Tinkturen. Des weiteren wird das Tausendgüldenkraut auch in Bitterschnäpsen oder Arzneiweinen im Handel angeboten.

Fördert Appetit und Verdauung

Wissenschaftliche Anerkennung findet Tausendgüldenkraut aufgrund der enthaltenen Bitterstoffe bei Appetitlosigkeit und Verdauungsbeschwerden. Das bittere Kraut besitzt zudem eine über den Verdauungstrakt hinausgehende allgemein belebende Wirkung, die vor allem in der Genesungsphase nach schwerer Krankheit genutzt wird. Auch bei verschiedenen Erschöpfungszuständen nervösen Ursprungs ist Tausendgüldenkraut äusserst wirksam, da sich bei den Betroffenen zusätzlich eine kreislaufanregende Wirkung einstellt. Es erhöht den Gefässtonus und regt die Herztätigkeit sowie den gesamten Stoffwechsel an. Bei Magersucht (Anorexia nervosa) kann Tausendgüldenkraut begleitend zu einer psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt werden. Patienten mit Gallensteinen können mit dem Kraut ihre unruhige Galle besänftigen und damit einer Gallenkolik vorbeugen. Hierzu sollte man jedoch unbedingt vorher den Arzt befragen. Damit jedoch die beschriebenen Wirkungen der Bitterstoffe in Gang gesetzt werden, sollte die Einnahme der Droge stets eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten erfolgen. Teezubereitungen aus Bitterstoffen sollten immer ungesüsst getrunken werden. Da Bitterstoffe hitzeempfindlich sind, sollte ein zubereiteter Tee lediglich überbrüht und nicht gekocht werden. Eine weitere Möglichkeit bietet ein Kaltmazerat der in der Regel wirksamer ist.


Teerezepturen und Präparate mit Tausendgüldenkraut


Tausendgüldenkraut - Kaltwasserauszug
Einen knappen Teelöffel des getrockneten Krautes mit einer Tasse Wasser übergiessen und 6 bis 8 Stunden ziehen lassen. Dann abseihen und eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten leicht aufgewärmt und ungesüsst trinken.
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Tausendgüldenkraut - Teezubereitung
Einen knappen Teelöffel des Krautes mit 200 ml kochendem Wasser übergiessen und 5 Minuten ziehen
lassen, abseihen und eine halbe Stunde vor dem Essen ungesüsst trinken.
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Centaurium Ø - Urtinktur
Das Tausendgüldenkraut kann auch in Form einer Urtinktur eingenommen werden. Die Anwendungs-
bereiche hierfür sind Appetitlosigkeit, Verdauungsbeschwerden und Ess-Störungen. Von dieser Tinktur
werden 1 bis 3 mal täglich 3 bis 5 Tropfen vor den Mahlzeiten eingenommen.
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Gegenanzeigen und Nebenwirkungen
Aufgrund der Anregung der Magensäureproduktion darf das Tausendgüldenkraut nicht bei Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüren eingenommen werden. Nebenwirkungen sind keine bekannt. Eine Tagesdosis der Droge von 6 Gramm sollte nicht überschritten werden.

WELEDA Amara Tropfen

Dieses Präparat wird bei Appetitlosigkeit, Übelkeit, Verdauungsbeschwerden wie Blähungen und Völlegefühl nach dem Essen eingesetzt. Zudem regen die Inhaltsstoffe den Gallenfluss an.

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Folgende Pflanzenextrakte sind in Weleda Amara-Tropfen enthalten:

Tausendgüldenkraut, Wegwarte, Schafgarbe, Löwenzahn, Enzian, Salbei, Wermut, Meisterwurzelstock, Wacholder

Einnahmeempfehlung des Herstellers:

Bei Appetitlosigkeit 10 bis 15 Tropfen unverdünnt oder in etwas Wasser 15 Minuten vor den Mahlzeiten einnehmen. Kinder (ab 6 Jahren) bekommen 5 bis 8 Tropfen. Bei Sodbrennen, Völlegefühl und Blähungen werden die Tropfen eine Stunde nach dem Essen eingenommen

Gegenanzeigen und Nebenwirkungen:
Amara-Tropfen dürfen nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen einen der Inhaltsstoffe. Nebenwirkungen sind derzeit keine bekannt.

Wichtiger Hinweis:
Alle angegebenen Arzneimittel-Informationen vermitteln nur einen allgemeinen Überblick über deren Anwendung und können keinesfalls eine fachliche Beratung durch Arzt, Apotheker oder Heilpraktiker ersetzen. Im Bedarfsfall sollten Sie einen Spezialisten aufsuchen. Vor einer etwaigen Anwendung von Arzneimitteln sollten Sie in jedem Fall die Packungsbeilage des Herstellers genau durchlesen und beachten.

Weiterführende Literatur!

400 Kräuterrezepte von Heilmitteln, Essenzen und Tinkturen, Salben und Ölen, Herstellung von Blütenessenzen, Herstellung von wirksamen Hausmitteln Textauszug: Schafgarbe (Achillea millefolium)Sie ist das Kraut der Frauen und vermittelt durch ihre Blüten eine Schwingung, die besonders auf das Immunsystem wirkt und die Selbstheilungskräfte aktiviert. Ein Sirup aus den Blüten ist eine Abwechslung zum Tee und schmeckt vorzüglich. Besonders energiereich sind die Blüten von Sonnenhängen, wenn vor dem Pflücken mindestens fünf Tage die Sonne geschienen hat, auch der Vollmondtag ist ein guter Pflücktag. Der schwach lilafarbene Sirup wird übrigens umso reiner im Geschmack, je weniger Blütenstiele enthalten sind. Dies ist wegen der winzigen Blüten allerdings sehr arbeitsintensiv.

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Hausmittel & Salben, Säfte & Marmeladen,
Kräuterwein & Liköre, Essig & Öl
von Siegrid Hirsch

Taschenbuch: 192 Seiten
Verlag: Freya

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