Linde: Heilkräftiger Volksbaum

Seit jeher steht die Linde als Symbol für Liebe, Harmonie, Lebenskraft und Geborgenheit. Sie ist mit ihren herzförmigen Blättern der «Baum des Volkes». Entsprechend lindert sie Krankheiten auf allen Ebenen.

Die Linde gehört in unseren Breiten zu den beliebtesten Bäumen. Sie wächst häufig in Parks und Alleen und steht mancherorts - noch aus alten Zeiten - auf Hofplätzen, an Dorfbrunnen oder vor Gaststätten. Die alte Dorflinde war für die Kelten und Germanen der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und lud im Sommer unter ihrem Schatten zum Verweilen ein. Dort fanden nicht nur die grossen Dorffeste, Hochzeiten und Jahresmärkte statt, sondern auch Gerichtsurteile. Da die Linde für Schutz, Geborgenheit und Frieden steht und in früheren Zeiten als heilig galt, erwarteten sich die Menschen «lindere» Urteile. Als Friedensbaum der Germanen war die Linde der Göttin Freya, der Hüterin über Liebe und Fruchtbarkeit, geweiht. Obwohl ihre Blätter schon in der Antike als Heilmittel bekannt waren, finden sich nur wenige schriftliche Überlieferungen aus dieser Zeit. Erst im Mittelalter durch Lonicerus und Matthioli ist sie in ihrem Ansehen stark gestiegen. Später lobte Sebastian Kneipp den Lindenblütentee bei Atemwegsbeschwerden.

Linde - der Baum des Volkes

Mit der Linde assoziiert man oft einen alten, behäbigen Baum in der Mitte eines Dorfes. Sie ist ohne Zweifel der Baum des Volkes, der Gemeinschaft und der Familie. Im Bayerischen Wald in Ried bei Bad Kötzting steht eine tausend Jahre alte Linde, die «Wolframslinde», unter der Wolfram von Eschenbach um das Jahr 1200 nach Christus seine lyrischen Dichtungen verfasste. Im deutschen Sprachraum tragen allein über tausend Ortschaften den Namen «Linde» in sich, wie beispielsweise Lindau, Lindeck, Hohenlinde, Lindenfels, Linden oder Lindenthal. Ferner gibt es Klöster, Wallfahrtsorte oder Burgen, die ihren Namen beinhalten. Selbst das Schloss «Linderhof» des bayerischen Königs Ludwigs II, auch als Märchenkönig bekannt, erhielt seine Bezeichnung angeblich von der Linde. Sogar viele Strassenbenennungen sind eng mit der Linde verknüpft, sei es die geläufige «Lindenstrasse» oder die berühmte Allee «Unter den Linden» in Berlin. Auch viele Mädchennamen erinnern an den Volksbaum wie Linda, Sieglinde, Gieslinde, Gerlinde, Rosalinde, Belinde oder Herlinde.

Die Linde und der Lindwurm

Der Ursprung des Lindwurmes stammt von den alten germanischen Volksgruppen, er ähnelt einem Drachen, der keine oder nur kurze Flügel besitzt. Der Lindwurm kann sich nicht in die Lüfte schwingen, ist aber dafür auf der Erde umso «linder» (biegsamer) und beweglicher. Der Name Linde hängt vermutlich mit der Bezeichnung «lind» (weich, geschmeidig) - für das weiche Holz oder den biegsamen Bast - zusammen. So schreibt der Arzt Lonicerus in seinem Kräuterbuch aus dem 16. Jahrhundert: «Die Linde hat den Namen von der Lindigkeit». Wegen dieser Biegsamkeit erhielt der Lindwurm seinen Namen, weil er besonders «lint» sei. In der Nibelungensage ist Siegfrieds Schicksal eng mit der Linde verknüpft. Siegfried kämpft mit dem großen und wendigen Lindwurm (Drachen) Fafnir, der Flammen von Feuer speien kann. Siegfried tötet Fafnir mit seinem Schwert. Danach badet der junge Held in seinem Blut, weil es Unsterblichkeit verlieh. Eine nahestehende Linde liess in diesem Moment ein Blatt zwischen Siegfrieds Schulterblätter fallen - und es blieb dort haften. An dieser verwundbaren Stelle erhielt er später - wieder unter einer Linde - den Todesstoss von Hagen.

Symbol für Lebenskraft

Die Linden zählen wie die Eichen zu den Baumveteranen, die Generationen von Menschen um ein Mehrfaches überleben können. So sagt man, dass die Bäume dreihundert Jahre kommen, dreihundert Jahre stehen und dreihundert Jahre vergehen. Einige von ihnen können sogar über tausend Jahre alt werden. Da das Holz der Linden keine fäulnisresistenten Gerbstoffe einlagert, vermorschen sie im Laufe der Jahrhunderte von innen heraus. Folglich werden alte Linden hohl und dennoch verfügen sie über eine starke Lebenskraft, weil sie neue Innenwurzeln austreiben, die vom greisen Stamm aus in Richtung Boden wachsen. Dort verankern sie sich und bilden eine neue Krone aus, wenn der betagte Baum abstirbt. Die Linde als Hochzeitsbaum soll die tiefe Verbundenheit eines Paares als Symbol für die Dauerhaftigkeit der Ehe darstellen und dadurch geht - nach altem Volksglauben - die Lebenskraft des Baumes auf die Liebenden über.

Botanische Beschreibung

Auf dem gesamten Globus existieren etwa fünfzig Lindenarten, wobei in unseren Breiten hauptsächlich die Winterlinde (Tilia  cordata) von der Sommerlinde (Tilia platyphyllos) unterschieden wird. Bereits im 16. Jahrhundert differenzierte der Botaniker und Arzt Hieronymus Bock zwei verschiedene Arten, die er «zahm» und «wild» nannte, wobei er unter zahm die Sommerlinde verstand. Die Linde ist ein sommergrüner Baum mit einer schwärzlich grauen, länglich gefurchten Borke. Alle Lindenarten besitzen eine unsymmetrische, herzförmige Wuchsform und zeigen einen faserhaltigen Bast unter der Rinde. Früher gehörten die Bäume zu den Lindengewächsen, heute hingegen werden sie als Unterfamilie Tilioideae zu den Malvengewächsen gezählt. Die bereits ab Mitte Mai bis Juni blühende Sommerlinde, auch als Weichlinde, Graslinde, Frühlinde oder grossblättrige Linde bezeichnet, besitzt auf der hellgrünen Unterseite ihrer Blätter weisse Haarbüschel und trägt drei bis fünf Blüten. Sie wächst gerne im subatlantischen Klima, besonders in luftfeuchteren Lagen. Hingegen bervorzugt die häufigere Winterlinde, auch Steinlinde, Spätlinde, Waldlinde oder Bastbaum genannt, die sommerwarmen Eichen-Hainbuchen-Wälder oder Laubwälder. Die Winterlinde blüht zwei Wochen später und trägt auf den Blattunterseiten braune Haarbüschel zwischen den Blattnerven. Ihre Blütenstände sind mit vier bis zehn Blüten versehen. Die angenehm duftenden, gelblich weissen Blüten sind am Stiel mit einem hellgrünen Hochblatt verwachsen. Im Alter von zwanzig Jahren fangen die Bäume zum ersten Mal an zu blühen und so kann jede Linde bis zu sechzigtausend Blüten tragen, die einen duftenden Nektar absondern. Die betörenden Duftstoffe ziehen zahlreiche Bienen an, die aus den süssen Blütensäften den gesunden Lindenblütenhonig herstellen. Die Holländische Linde (Tilia europaea) ist ein Abkömmling der beiden Lindenarten, die nicht zu medizinischen Zwecken verwendet wird. Man pflanzt sie gerne als Alleebaum, da sie eine schönere Baumkrone als die Sommer- oder Winterlinde besitzt. Gleichermaßen kann die Silberlinde (Tilia tomentosa), die an der Unterseite der Blätter eine weissfilzige Behaarung aufweist, nicht als Medizin verwendet werden.

Die Linde als heiliges Holz

Für eine geraume Zeit galt die Linde als heiliges Holz und wurde vor allem in der Schnitzkunst als «lignum sacrum» bezeichnet, weil viele Heiligenmotive aus ihr entstanden sind. Berühmte Bildhauer wie beispielsweise Veit Stoß (1447 bis 1533), Ludwig Schwanthaler (1802 bis 1848) oder Tilman Riemenschneider (1460 bis 1531) schnitzten aus dem Holz kunstvolle Heiligenfiguren, Krippen und Altäre. Ferner benutzte man das Lindenholz wegen seiner weichen und elastischen Beschaffenheit auch zur Herstellung von Holzschuhen, Löffeln, Schüsseln und anderen Gebrauchsgegenständen. Zudem werden heute aus dem Holz Faschings- oder Fasnachtsmasken sowie Zeichenkohle produziert. Die Rinde des Baumes besitzt reichhaltige Bastfasern. Sie sind quasi das lebende Gewebe unter der Borke, die im Gegensatz zum Holz feucht sind. Die Fasern sind weich und widerstandsfähig, aber auch zäh, daher lassen sie sich leicht in Streifen ablösen. Zur Bastgewinnung wurde die Rinde im Frühjahr abgeschält und die weiche Innenseite in Streifen herausgetrennt. Diese wurden dann - ähnlich wie bei der Flachsgewinnung - in kaltes Wasser eingelegt. Den gelösten Bast verarbeitete man nach dem Trocknen an der Sonne zu Seilen, Schnüren, Säcken, Matten und Kleidern. Sogar die hübschen herzförmigen Blätter dienten in der Vergangenheit als Färbemittel und zauberten auf Stoffen herrliche Beige- und Brauntöne.

Heilwirkungen der Linde

Linden gehören heute zu den Heilpflanzen, weil ihre Blüten (Flores tiliae) bei Erkältungskrankheiten sowie bei trockenem Reizhusten wissenschaftlich anerkannt sind. So wurden vor allem die Inhaltsstoffe der Blüten ausführlich erforscht. Hierbei handelt es sich um Flavonoide, Schleimstoffe, Gerbstoffe, ätherisches Öl (mit Linalool, 1,8-Cineol und Farnesol) sowie Kaffeesäurederivate. Durch diese Stoffe besitzen die Blüten schweisstreibende, entzündungshemmende, erwärmende, schmerzstillende sowie beruhigende Merkmale. Auch zur Entgiftung können sie bei Schwitzkuren eingesetzt werden. Lindenblütentee ist ein wichtiges schweisstreibendes Mittel bei Erkältungskrankheiten und bewirkt eine allgemeine Abwehrsteigerung. Die enthaltenen Substanzen besitzen eine fiebersenkende sowie schwach krampflösende und hustendämpfende Wirkung. Übrigens, Lindenblüten kann man gut mit Holunderblüten kombinieren. Bereits bei den ersten Erkältungssymptomen sollte man den Tee möglichst heiss trinken oder Fußbäder mit Lindenblütentee anwenden. Nach etwa zehn Minuten Fußbad mit den noch feuchten Füßen in angewärmte Wollsocken krabbeln und ins Bett gehen. Zusätzlich zum schweisstreibenden Effekt beinhaltet das Wirkstoffgefüge mild abführende und leicht harntreibende Eigenschaften. Auch Personen, die oft an Schlafstörungen leiden oder die ständig unter Stress stehen, kann der Tee Linderung bringen. Ebenso ist ein täglich eingenommener Lindenblütentee hilfreich für ältere Menschen mit arteriosklerotischen Beschwerden.

Sammeln in der Natur

Etwa ein bis drei Tage nach der Blütezeit (Sommerlinde - ab Mitte Mai, Winterlinde - Anfang Juni) können die Blüten mit Hochblatt gesammelt werden. Der beste Zeitpunkt dafür ist ein sonniger Vormittag, weil der Wirkstoffgehalt zu diesem Zeitpunkt am höchsten ist. Man sollte jedoch keine Blüten sammeln, die an verkehrsreichen Strassen stehen. Die Blüten werden beim Sammeln in einen Korb gelegt und anschliessend auf einem Leinentuch ausgebreitet. Danach rasch trocknen und dabei die Blüten mehrmals wenden. Im Anschluss daran dunkel und luftdicht in einer Teedose aufbewahren.

Lindenblütentee

Ein Teelöffel Lindenblüten wird mit 250 Milliliter heissem Wasser überbrüht. Das Ganze fünf Minuten ziehen lassen und anschliessend abseihen. Die Lindenblüten haben eine schweisstreibende Wirkung und steigern die Abwehrkräfte. Zudem lindert sie den Hustenreiz. Den Tee so heiss wie möglich trinken, bis zu fünfmal täglich jeweils eine Tasse. Am Abend sollte der Tee im Bett zu sich genommen werden, weil während der Schwitzkur der Kreislauf beansprucht wird. Deshalb benötigt die kranke Person viel Ruhe. Der Tee kann auch zur Inhalation genutzt werden. Die durchschnittliche Tagesdosis von maximal vier Gramm sollte nicht überschritten werden.

Nebenwirkungen und Gegenanzeigen:
Derzeit sind keine bekannt.
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Erkältungs-Teemischung

Diese Teemischung hat fiebersenkende Eigenschaften und unterstützt den Kreislauf.
Je zwanzig Gramm Lindenblüten, Holunderblüten, Thymiankraut, Kamillenblüten und vier Gramm Orangenblüten. Von dieser Mischung dreimal täglich jeweils einen Teelöffel mit 150 Milliliter heissem Wasser überbrühen, fünf Minuten ziehen lassen und abseihen. Anschliessend schluckweise und so heiss wie möglich trinken. Wer will kann den Tee mit etwas Honig süßen.

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Beruhigungsbad für ältere Menschen

Für ältere oder erschöpfte Menschen 250 g Lindenblüten mit 5 Liter heissem Wasser überbrühen, 8 Minuten ziehen lassen, abseihen und dem Badewasser zufügen. Die Badedauer beträgt 15 Minuten. Vorher sollte bereits das Bett vorbereitet werden, um danach ausruhen zu können. Achtung: Durch die Wärmeeinwirkung wird der Kreislauf von älteren Menschen stark beansprucht. Aus diesem Grunde sollten geschwächte Senioren immer unter Aufsicht baden.

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Lindenblätter-Lomentum - Naturkosmetik

Das Lindenblätter-Lomentum enthält Schleimstoffe, das sich besonders durch eine hautberuhigende Wirkung auszeichnet. Während der römischen Zeit bezeichnete man Mehle und Pulver zur Reinigung und Entgiftung der Haut als Lomentum. Hierfür nimmt man eine Handvoll getrocknete junge Lindenblätter, ein Teelöffel Honig und zwei Esslöffel Buttermilch. Die Lindenblätter werden im Mixer gemahlen und anschliessend wird das Pulver fein gesiebt. Dann das Lindenblätter-Pulver mit Honig und Buttermilch vermischen und sanft am Körper einmassieren. Es kann auch als Peeling verwendet werden.

Hinweis:
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Weiterführende Literatur!

Die lang erwartete, erweiterte Neuauflage des Standardwerks der Baumheilkunde. Der Baum ist ein Begleiter des Menschen. Er ist Vermittler zwischen Himmel und Erde, Ratgeber und heilsamer Beschützer. In allen Kulturen und Zeiten erfuhren Bäume große Verehrung und ihnen wurden mächtige Kräfte zugesprochen. Mythos, Magie und Spiritualität hielten Einzug in die traditionelle Volksheilkunde und fanden im Laufe der Jahrhunderte ihren festen Platz darin. Diesem alten Wissen um die Kräfte der Bäume geht der Renato Strassmann in einzigartiger Weise nach. In vielen Baumbeschreibungen erzählt er von seinen persönlichen Begegnungen und Erfahrungen mit der heimischen Baum- und Strauchwelt. Ergänzt und vertieft durch die Eigenschaften und Wirkungen in Medizin, traditioneller Volksheilkunde, Esoterik, Pflanzenastrologie und Baumheilkunde, lässt er den Leser den Lebensgeist und die heilenden Kräften der Bäume wahrhaftig spüren. 42 heimischen Baumarten werden detailliert beschrieben.

Baumheilkunde
Heilkraft, Mythos und Magie der Bäume
von Renato Strassmann

Gebundene Ausgabe: 424 Seiten
Verlag: Freya

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