Spinat: Der Kinderschreck
Der Spinat (Spinacia oleracea) galt aufgrund eines Missverständnisses als stark eisenhaltiges Gemüse, das keinem Kleinkind vorenthalten wurde. Doch auch nach der Korrektur dieses langgehegten Irrtums ist Spinat immer noch sehr gesund, neben vielen Vitaminen ist er vor allem reich an Folsäure.
Spinat (Spinacia oleracea), ein naher Verwandter von Rande, Mangold und Melde wird weltweit mit Ausnahme der Tropengebiete angebaut. Die Hauptanbauländer in der Europäischen Union sind Italien, Frankreich, Niederlande, Belgien und Deutschland. Spinat stammt vermutlich aus dem persisch-arabischen Raum, wo er schon vor mehreren tausend Jahren kultiviert und als der «Prinz aller Gemüse» bezeichnet wurde. Heute wird der überwiegende Teil des geernteten Spinats leider nur noch zu industriellem Einheitsbrei und Tiefkühlware verarbeitet. Dabei ist frisch gepflückter Freilandspinat eine echte Köstlichkeit: Ob als Zutat zu Salaten und Suppen, als Füllung in pikantem Gebäck, auf Pizzas, in Gratins und Aufläufen - Spinat ist in der Küche ein wahrer Tausendsassa. Vor allem die kulinarische Renaissance in Italien liess die Vielfältigkeit der Spinatzubereitung aufleben, denn die Renaissanceköche versuchten sich stets an der Entwicklung unkomplizierter Gerichte und sanfter Garmethoden, die den Eigengeschmack wertvoller Zutaten wie Spinat hervorheben sollten. Katharina de' Medici (1519 bis 1589), die durch die Heirat mit Heinrich II. von Frankreich die politische und kulinarische Bühne betrat, führte viele Spezialitäten ihrer italienischen Heimat in die französische Küche ein. Darunter befand sich auch ihr Lieblingsgemüse Spinat, welches sie nach «Florentiner Art» in Mode brachte. Hinter dieser Zubereitung verbirgt sich meistens ein Spinatbett, auf dem viele köstliche Zutaten angerichtet werden.
Von Irrtümern und Missverständnissen
Spinat galt lange Zeit aufgrund eines Missverständnisses als stark eisenhaltiges Gemüse, das keinem Kleinkind vorenthalten wurde. Der Schweizer Physiologe Gustav von Bunge (1844 bis 1920) ermittelte vor rund 120 Jahren bei einer Laboranalyse einen Eisengehalt von 35 Milligramm pro hundert Gramm getrocknetem Spinat. Dieses Ergebnis wurde von Ernährungsforschern - allerdings bezogen auf hundert Gramm Frischware - ohne es zu hinterfragen übernommen, worauf Spinat zum Eisenlieferanten Nummer eins avancierte. Generationen von Kindern wurden von nun an damit gefüttert und über die spinatverschlingende Comic-Figur «Popeye», die ab 1933 die Leinwand eroberte, sollten die Kinder sogar verstärkt zum Spinat essen motiviert werden. Da das frische Blattgemüse jedoch zu neunzig Prozent aus Wasser besteht, liegt der tatsächliche Eisengehalt nur bei 3,5 Milligramm pro hundert Gramm Spinat. Der Irrtum, Spinat sei ein optimaler Eisenlieferant, zog sich so bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein. Trotzdem ist Spinat beileibe nicht ohne: Selbst wenn das enthaltene Eisen - so wie jedes pflanzliche Eisen - schlecht verwertbar ist, gilt er aufgrund seines ausgewogenen Nährstoff-Verhältnisses dennoch als wichtiger Vitamin- und Mineralstofflieferant.
Blätter für die Gesundheit
Das Blattgemüse hat wenig Kalorien - 100 Gramm Frischware enthalten gerade 20 Kalorien oder 85 Kilojoule - verfügt aber über viele Ballaststoffe, die die Darmtätigkeit ankurbeln und damit die Verdauung fördern. Der Volksmund sagt: «Spinat ersetzt die halbe Apotheke»! Er besitzt in der Tat einen hohen ernährungsphysiologischen Wert, denn er ist reich an den Mineralstoffen Kalium, Calcium, Magnesium und Phosphor sowie an den Vitaminen B1, B2, B6, E, enthält viel Vitamin C und Biotin. Dazu besteht ein hoher Anteil an Folsäure, die in der Schwangerschaft und für die Bildung roter Blutkörperchen eine wichtige Rolle spielt. Spinat liefert in hoher Konzentration Betacarotin, eine Vorstufe des Vitamin A, das eine krebsvorbeugende Wirkung hat, die Augen schützt und zellschädigende Verbindungen, die sogenannten freien Radikale neutralisiert. Darüber hinaus ist Spinat ein exzellenter Lieferant für Lutein und Zeaxanthin. Diese Substanzen aus der Stoffklasse der Carotinoide gewinnen in letzter Zeit immer mehr an Bedeutung, da sie bei der Entstehung der altersbedingten Makuladegeneration (starke Sehbehinderung und Blindheit bei älteren Menschen) eine vorbeugende Wirkung zeigen.
Neue Aspekte zur Oxalsäure
Spinat gehört wie Mangold, Rhabarber und Randen zu den Lebensmitteln, die Oxalsäure enthalten. Oxalsäure hat die Fähigkeit, Mineralien wie beispielsweise Kalzium zu unlöslichen Salzen zu binden. Daher wurde bisher vor dem reichlichen Verzehr oxalsäurehaltiger Gemüsesorten wegen der möglichen Bildung von Nierensteinen - hier vor allem von Kalzium-Oxalat-Steinen - gewarnt. Da Spinat jedoch gleichzeitig viel Kalium enthält, welches eine wesentlich bessere Bindungsfähigkeit mit der Oxalsäure aufweist als Kalzium, liegt durchaus der Verdacht nahe, dass anstelle von Kalziumoxalat das - sehr gut lösliche - Kaliumoxalat gebildet wird. Dieses wiederum wird problemlos mit dem Urin ausgeschieden und bildet keine Nierensteine. Sollte dies zutreffend sein, müssten auch Nierenstein-Patienten nicht zwangsläufig Spinat vom Speiseplan streichen, genauere Untersuchungen zu diesem Thema stehen allerdings noch aus.
Inbegriff des Frühlings
Obwohl frischer Spinat nahezu ganzjährig auf dem Markt angeboten wird, ist er dennoch das Gemüse des Frühlings schlechthin, vitaminreich, knackig und grün - genau das, was man in dieser Jahreszeit braucht. Dazu fördert Spinat die Sekretion der Bauchspeicheldrüse, der Magenschleimhaut und der Galle und wirkt als Tonikum für Herz, Leber und Nerven. Bei dem einjährigen Kraut, das früher der Familie der Gänsefussgewächse (Chenopodiaceae) zugeordnet war, heute aber aufgrund neuerer molekularbiologischer Untersuchungen zu den Fuchsschwanzgewächsen (Amaranthaceae) gezählt wird, unterscheidet man je nach Aussaat-Termin zwischen Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterspinat. Von den Pflanzen, die vom Frühjahr bis Spätsommer ausgesät werden, erntet man den feinblättrigen und mild schmeckenden Frühjahrs- und Sommerspinat. Die späteren Herbstaussaaten ergeben den gröberen, im Geschmack herzhafteren Winterspinat, der bis zur Ernte im Frühjahr überwintert und ab März bis Juni erhältlich ist.
Vergessene Sorten bewahren
Spinat kam wahrscheinlich im 11. Jahrhundert nach Spanien. Von dort breitete er sich in die anderen europäischen Länder aus. Im 16. Jahrhundert wurde das Blattgemüse immer beliebter und verdrängte zusehends seinen Verwandten, die Gartenmelde (Atriplex hortensis). Andere Artverwandte wie beispielsweise Guter Heinrich (Chenopodium bonus-henricus), Baumspinat (Chenopodium giganteum) oder Erdbeerspinat (Chenopodium capitatum bzw. Chenopodium foliosum) mussten im Laufe der Zeit dem kommerziellen Anbau weichen, der für solche traditionellen Pflanzen keinen Platz mehr lässt. So konnte bis vor einigen Jahren der Gute Heinrich, im Volksmund auch Wilder Spinat genannt, noch als «Dorfpflanze» entlang von Häusern angetroffen werden. Dank einiger Züchter und Gartenfreunde, die sich auf das Gebiet alter und längst vergessener Gemüsesorten spezialisiert haben, werden diese gerade in den letzten Jahren wieder neu entdeckt und kultiviert. Diese botanischen Raritäten haben den Vorzug, dass sie nicht so überzüchtet sind wie viele der gängigen Sorten. Dadurch haben sie meist einen intensiveren Geschmack, besitzen mehr wertvolle Inhaltsstoffe und ihre grosse Bandbreite an Farben und Formen lässt das Herz eines echten Pflanzenliebhabers höher schlagen - und erzeugt gleichzeitig einen starken Kontrast zu den überzüchteten oder genveränderten Sorten aus den Labors der Agrar-Konzerne, deren Ziel, weltweit die Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung zu kontrollieren, in eine Sackgasse aus Monokultur und Artenverarmung führt. Um so wichtiger erscheint es heute, dass es Organisationen und Initiativen gibt, die sich für die Erhaltung gefährdeter Kulturpflanzen einsetzen und so versuchen, deren Artenvielfalt zu bewahren.
Nitrat im Spinat
Wie auch viele andere Blattgemüse speichert Spinat stickstoffhaltige Salze der Salpetersäure. Der Nitratgehalt beim Spinat hängt von Düngung, Belichtung, Luft, Erntesaison und der Dauer der Lagerung ab. Generell enthalten Bio-Ware und Freilandspinat weniger Nitrat als Produkte aus dem Gewächshaus oder Folienanbau. Im Zweifelsfall kann der Nitratgehalt vor einer weiteren Zubereitung durch Blanchieren um etwa siebzig Prozent gesenkt werden. Hierzu werden die gewaschenen Blätter für einen kurzen Augenblick in kochendes Salzwasser gelegt, anschliessend herausgehoben und in Eiswasser abgeschreckt. Auch Vitamin C ist geeignet, den Abbau von Nitrat zu Nitrit zu reduzieren: Daher ist es günstig, wenn das Blattgemüse bei der Zubereitung eines Gerichtes mit Zitronensaft angereichert wird. Gekochter Spinat sollte nicht länger als einen Tag aufbewahrt werden, da sich sonst das verbliebene Nitrat zu Nitrit und anschliessend zu schädlichen Nitrosaminen umwandelt. Säuglinge unter sechs Monaten dürfen keinen Spinat essen, sie reagieren auf Nitrit besonders empfindlich, da ihr Enzymsystem noch nicht vollständig ausgereift ist. Bei erhöhten Nitritwerten im Blut kann sich so die sogenannte «Blausucht» oder «Methämoglobinämie» entwickeln.
Köstliches mit Spinat
Rezepte für 4 Personen
Spinatsalat mit Sprossen
Zutaten:
300 g frischer Spinat
300 g Karotten
2 Äpfel
2 Schalotten
50 g Sprossen, zum Beispiel Alfalfa
Zutaten für die Marinade:
3 EL frisch gepresster Zitronensaft
6 EL Sonnenblumenöl
1 TL scharfer Senf
Meersalz
Pfeffer aus der Mühle
Spinat gründlich waschen, abtropfen lassen und in Streifen schneiden. Karotten in Scheiben schneiden, Äpfel würfeln und die Schalotten fein hacken. Die Sprossen kalt abbrausen, abtropfen lassen und unter die Rohkost mischen. Zitronensaft, Öl, Senf, Meersalz und Pfeffer verrühren, über den Salat giessen und alles gut mischen.
Spinatsalat mit Rote Bete
Zutaten:
300 g frischer Spinat
50 g Kressesprossen
1 mittelgrosse Rote Bete
2 Zwiebeln
2 EL Sonnenblumenkerne
Zutaten für die Marinade:
Kräutersalz, Pfeffer aus der Mühle
2 EL frisch gepresster Zitronensaft
6 EL kaltgepresstes Leinöl
Sonnenblumenkerne in einer trockenen Pfanne goldgelb rösten und abkühlen lassen. Spinat waschen, abtropfen lassen und in Streifen schneiden. Rote Bete gut waschen und in einer Küchenmaschine fein raspeln. Kressesprossen unter den Spinat und die roten Bete mischen. Die Zwiebeln fein würfeln. Den Salat auf einer Platte anrichten, die Zwiebeln und die Sonnenblumenkerne darüberstreuen. Eine Marinade erstellen, über den Salat giessen und servieren. Variation: Wer will, kann über die Zutaten noch hartgekochte Eier geben.
Spinatlasagne
Zutaten:
1 kg frischer Spinat
4 Tomaten
1 Zwiebel
1 Knoblauch
3 EL kalt gepresstes Olivenöl
etwas Butter
Kräutersalz, Pfeffer aus der Mühle
etwas Muskantnuss
8 bis 10 Lasagneblätter
150 g geriebener Parmesankäse
200 ml Sahne
3 EL Semmelbrösel
Zwiebel und Knoblauch schälen, fein würfeln und im Olivenöl glasig dünsten. Gewaschenen, abgetropften Spinat zugeben und zusammenfallen lassen. Danach die gewürfelten Tomaten zugeben. Mit Kräutersalz, Pfeffer und Muskatnuss abschmecken und etwas Butter unterziehen. Das Gemüse abwechselnd mit den Lasagneblättern in eine gebutterte Auflaufform schichten. Käse, Semmelbrösel und Sahne vermischen. Mit dieser Sauce abschliessen. Im Ofen bei 200 Grad Celsius 30 Minuten backen.
Kniffe für deftigen Spinat
- Beim Einkaufen von frischem Spinat benötigt man zur Gemüsebereitung pro Person zwischen 300 und 500 Gramm. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Blätter ein saftiges Grün zeigen und fest sind.
- Frischer Spinat lässt sich in einem Folienbeutel eingepackt im Kühlschrank für etwa zwei Tage lagern; er verliert jedoch dabei sehr schnell seine wertvollen Inhaltsstoffe. Am besten ist es, den Spinat unmittelbar nach dem Einkauf zu verarbeiten.
- Spinat sollte gründlich gewaschen werden, da er oft sehr sandig ist.
- Spinat kann roh in Form eines Salates oder Rohkost genossen werden, doch wird er meistens gedünstet oder gekocht zubereitet.
- Da Spinat relativ viel Histamin enthält, sollten empfindliche Personen die unter einer Histamin-Intoleranz leiden auf den Verzehr von Spinat verzichten.
Literatur-Tipp zum Thema «Gemüse»!
Gemüse hat das Zeug zum Star: Es bereitet einem schier unendlichen Feld kreativer Möglichkeiten die Bühne. Langweilige Aufführungen wie Gurken in Dillsahne locken kaum mehr jemanden hinterm Ofen hervor. Gefragt sind neue Geschmackserlebnisse! Genau dafür hat sich die Gemüse- und Gewürzexpertin Bettina Matthaei etwas Besonderes ausgedacht: raffiniert gewürzte, leicht und schnell nachkochbare Gerichte für die weiter wachsende Zahl der Gemüsefans und Vegetarier. In ihrem GU-Kochbuch Gemüse kann auch anders stellt sie 25 marktfrische Gemüsesorten ausführlich vor, von A wie Artischocke bis Z wie Zwiebel. Und für jede dieser marktfrischen Köstlichkeiten gibt's neuartige Kombinationen - macht insgesamt 200 spannende vegetarische Rezepte, darunter auch vegane. Plötzlich ist alles möglich: Tatar aus Roter Bete, Knuspersnacks aus Grünkohl, Blumenkohl-Curry oder Bohnen mit Ingwer.
Gemüse kann auch anders
Vegetarische Rezepte für jede Jahreszeit
von Bettina Matthael
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: GRÄFE UND UNZER