Sepia...

...das Frauenheilmittel

Sepia gilt in der Homöopathie als das häufigste gebrauchte Arzneimittel bei gynäkologischen Beschwerden und ist überwiegend ein Frauenmittel. Sepia ist eine homöopathische Arznei aus dem Meer.

Sepia officinalis

Das Arzneimittel Sepia besteht aus der Tinte des Tintenfisches (Sepia officinalis). Er gehört nicht zu den Fischen, sondern zählt wie die Auster - aus der Calcium carbonicum (Austernschale) gewonnen wird - zur Gruppe der Weichtiere (Mollusca). Der Tintenfisch wird zur Gattung der Kopffüßler (Cephalopodia) gerechnet und kommt im Mittelmeer, in der Nordsee sowie im Atlantischen Ozean vor. Das Weichtier, das auch als Seekatze, Kalamar oder Kuttelfisch bezeichnet wird, erreicht eine Größe von etwa zwanzig bis dreissig Zentimetern. Es hat einen vom Rumpf unübersehbar abgesetzten Kopf mit überaus grossen Augen, die W-förmige Pupillen aufweisen. Am Ende des Kopfes sind zehn mit Saugnäpfen versehene Fangarme (Tentakel) vorhanden, mit denen die Beute extrem schnell erfasst werden kann. Zudem kann der Tintenfisch aus seiner Drüse oder Tintenbeutel eine braunschwarze Flüssigkeit absondern, um sich vor Feinden wie beispielsweise Robben, Walen oder Haien zu tarnen. Dadurch kann sich das Weichtier vor drohender Gefahr schützen, weil es seinen Standort durch die Tinte verdunkeln kann. Damit ist es in der Lage, seinem Feind unerkannt zu entwischen. In der Homöopathie wird aus dem Weichtier die Tinte in getrockneter Form (Sepia succus) gewonnen. Sepia succus enthält vor allem Calcium carbonicum, Magnesium carbonicum, Natrium sulfuricum, Kochsalz, Eisen und den schwarzen Farbstoff Melanin. Sepia wurde erstmals von Samuel Hahnemann geprüft. Der Anstoß zur arzneilichen Prüfung und Verwendung kam ihm, als bei einem Kunstmaler eine besonders intensive Schwäche zusammen mit einer Depression auftrat. So beobachtete Hahnemann während eines Atelierbesuches, dass dieser Maler während seiner Arbeit Sepiafarbe verwendete. Er hatte die Gewohnheit, seinen mit Sepia-Tinte versehenen Pinsel im Mund zu befeuchten. Erst als er auf Empfehlung Hahnemanns davon abließ, verschwanden im Laufe der Zeit seine Beschwerden. Nach dieser Beobachtung schrieb Hahnemann wie folgt: «Dieser braunschwarze Saft ist im Unterleibe des grossen Meer-Insekts, Dintenfisch genannt, in einer Blase enthalten, und wird von ihm zuweilen ausgespritzt, das Wasser um sich her zu verdunkeln, vermuthlich um sich dadurch seiner Beute zu versichern, oder auch, um sich vor seinen Feinden zu verbergen. Von diesem Thiere trocknet man diese Saft-Blase, welche dann in Rom für Zeichner feil und von daher zu beziehen ist. Diese Sepie wird wie andre trockene, rohe Arznei-Substanzen zum homöopathischem Gebrauche zubereitet.»

Allgemeine Merkmale zu Sepia

Das wichtigste Merkmal von Sepia-Menschen ist ein großes Unabhängigkeitsbedürfnis. Bei den Erwachsenen gibt es zwei äußerliche Erscheinungsformen. Zum einen sind es schlanke Frauen mit schmalen Hüften, eckigem Gesicht mit gelb-braunen Pigmentflecken und schönen Augen. Zum anderen können sie - meist im reifen Alter - rundlich und beleibt sein. Oft findet man bei den Sepia-Frauen eine verstärkte Behaarung an Oberlippe und Körper. In der Regel sind sie elegant und dezent gekleidet, der Gesamteindruck wirkt nicht verspielt. Sie bevorzugen gerne schwarze, dunkelblaue oder türkise Farben. Gegen Gelb, Grün oder Rot besteht oftmals eine Abneigung. Ferner besitzen Sepia-Persönlichkeiten ein starkes Bedürfnis nach Distanz und Freiheit, dabei wirken sie nüchtern und unnahbar. Sepia-Menschen sind sehr selbstbewußt und es ist sehr schwer, ihr Vertrauen zu gewinnen. Sie neigen zu Ängsten wie beispielsweise der «Angst um die eigene Gesundheit», «Angst, es könne was Schlimmes passieren» oder «Furcht vor Armut». Auf der körperlichen Ebene ist noch anzumerken, dass sie gerne die Beine übereinanderschlagen, obwohl die Betroffenen oft unter Venenproblemen leiden. Sie haben dabei das Gefühl, dass der Bauchinhalt nach unten drängt  («Überkreuzen der Beine bessert»).

Sepia-Menschen sind hauptsächlich Frauen. Es werden vor allem zwei Typen von Sepia-Frauen unterschieden: «Die erschöpfte Hausfrau», «Die Karrierefrau»!

Die erschöpfte Hausfrau

Dieser Typ - oft mit rundlicher Figur - hat keine Kraft mehr, die täglichen Arbeiten zu erfüllen. In der Rolle als Hausfrau und Mutter fühlt sie sich überfordert und kann die Aufgaben - wie das Führen eines Haushaltes oder die Erziehung der Kinder - nicht mehr bewältigen. Sie wird depressiv, müde oder reizbar und fühlt sich durch ihre Mutterrolle stark eingeengt. Bei Geringfügigkeiten fängt sie an, ihre Kinder anzuschreien oder sie streitet mit ihrem Mann. Nichts bereitet ihr Freude, sie distanziert sich und wird apathisch. So entwickelt sie im Laufe der Zeit eine regelrechte Abneigung gegen ihre Familie («Abneigung gegen Familienmitglieder»: Kent) und schließlich wird sie im weiteren Verlauf gleichgültig («Gleichgültig gegenüber ihren Angehörigen»: Hering). Sepia steht in dieser Phase ihres Lebens unter einer «schwarzen Wolke» und gerät in psychosomatische Beschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Migräne oder Kopfschmerzen, Menstruationsbeschwerden und Sexualstörungen.

Die Karrierefrau

Die karrierebewußte Sepia zeigt ein ganz anderes Gesicht als die erschöpfte Hausfrau. Sie möchte im Berufsleben erfolgreich sein und sich selbst verwirklichen. Neben ihren Haushaltspflichten geht die Sepia-Frau ihrer beruflichen Tätigkeit nach, die sie interessiert und in der sie sich engagieren kann. Dabei ist die tatkräftige Geschäftsfrau pflichtbewusst, ehrgeizig und sehr aktiv. Allerdings benötigt sie in der Arbeit ein gewisses Maß an Freiheit und lässt sich dabei von niemanden manipulieren. So gestaltet sie ihre beruflichen Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig. Die Sepia-Frau erlernt gern einen männlichen Beruf und kann auch in der Politik sehr engagiert sein. Daher wird Sepia oft als das weibliche Nux vomica bezeichnet. Sepia steht zu ihrer Meinung und sagt immer ehrlich was sie denkt. Durch ihre Geradlinigkeit wirkt sie oft verletzend, dabei ist ihr nicht bewusst, dass sie ins Fettnäpfchen tritt. So fällt ihr diplomatisches Verhalten sehr schwer. Wird sie aber selbst kritisiert, reagiert Sepia bisweilen sensibel und kann auch wütend werden. Um dem Stress des Alltags zu entfliehen benötigt sie kräftige körperliche Bewegung wie Joggen, Schwimmen oder Tanzen ("Gemüt - Tanzen verbessert": H. C. Allen). Dabei hebt sich ihre Stimmungslage und sie blüht so richtig auf. Selbst Kopf- oder Magenschmerzen verschwinden, sobald sie anfängt, sich kräftig zu bewegen. Da Sepia im Beruf in ihrem Element ist, sucht sie einen Arzt vor allem wegen körperlicher Beschwerden wie unregelmäßiger Menses, Gebärmutterproblemen, Blasenleiden, Harninkontinenz, Kopfschmerzen, Hautproblemen, Verstopfung oder Arthritis auf. Hingegen sind psychische Leiden wie Depressionen oder Erschöpfungszustände eher in der Rolle der Hausfrau zu finden.

Gynäkologische Beschwerden

Bei Sepia findet man viele Arten von Uteruserkrankungen. Oft sind die Beckenorgane erschlafft, sodass sich die Gebärmutter wie eine Kugel anfühlt. Daher hat sie das Bedürfnis, die Beine übereinander zu schlagen, um den Uterus festzuhalten. Die Menses kann spärlich und spät oder reichlich und früh ausfallen. Davor ist sie gereizt und mürrisch. Beim Einsetzen der Monatsblutung können Rückenschmerzen, Migräne oder Stirnkopfschmerzen auftreten. Während des Klimakteriums wechseln sich häufig Hitzewallungen mit Frieren ab. Des weiteren ist Sepia ein wichtiges Mittel bei vielen Störungen in und nach der Schwangerschaft. So gibt es zahlreiche Schwangerschaftssymptome wie morgendliche Übelkeit mit Erbrechen, Verstopfung, Ischialgie oder Ausfluss sowie Abneigung gegen Geschlechtsverkehr und den Ehemann. Zudem kann Sepia bei Blutungen helfen und eine Frühgeburt vermeiden, aber nur, wenn es als Mittel repertorisiert wurde. Nach der Geburt zeigt sich eine Trauigkeit mit Ablehnung des Kindes. Auch bei chronischer Entzündung von Uterus und Adnexen bringt das homöopathische Mittel gesundheitliche Unterstützung. Die entsprechenden Frauen haben eine Veranlagung zu einer Bindegewebsschwäche der Unterleibsorgane. Daher hilft die Arznei bei Gebärmuttersenkung sowie Gebärmuttervorfall mit dem Gefühl, als ob die Beckenorgane herausfallen würden.

Weitere Beschwerdebilder

Sepia-Menschen leiden oft unter qualvollen Kopfschmerzen mit Übelkeit, vor allem abends (die Beschwerden erleichtern sich durch Erbrechen). Verschlimmert werden sie jedoch durch stickige Räume, Lärm, Tabakrauch und Menstruation. Es bestehen stechende Schmerzen, die linksseitig oder in der Stirn auftreten. Auch Blasenentzündungen können sich einstellen. Diese äußern sich durch plötzlichen Harndrang mit einem schmerzhaften Drängen im Becken. Dabei gibt es ein Gefühl von Senkung oder Abwärtsdrängen der Gebärmutter. Sepia-Menschen leiden unter chronischen Hautausschlägen. So finden sich oft trockene, rissige Ekzeme in den Gelenkbeugen und an den Händen, die sich durch Kontakt mit Wasser verschlimmern. Durch einige Erfahrungsberichte zeigte sich, dass Sepia vor allem dann wirksam ist, wenn die Dermatitis (z. B. Herpesbläschen) eine ringförmige Form angenommen hat. Diese Hautirritation erscheint gerne während und nach der Menstruation sowie nach dem Genuss eines Fischgerichts. Generell ist Sepia ein Konstitutionsmittel mit einem breitem Wirkungskreis. So können noch eine ganze Reihe von Organgebieten in Frage kommen, wenn der Grundzug des Mittels vorhanden ist. Dies ergibt sich aus den Leitsymptomen sowie den Modalitäten. Ferner ist das Mittel nur dann hilfreich, wenn ein Zusammenhang mit dem Genitalsystem nachzuweisen ist.

Leitsymptome des Gemüts

• Abneigung gegen ihren Ehemann
• Abneigung gegen Familienangehörige
• Beschäftigung verbessert
• Faulheit verschlechtert die Symptome
• Empfindlich gegen Geräusche
• Fleißig, arbeitsam vor der Menses
• Froh wenn es donnert und blitzt
• Furcht beim Fahren im Wagen
• Gedanken - einstürmende Gedanken in der Nacht
• Weinen - grundlos
• Gleichgültigkeit gegen Verwandte
• Kurz angebunden, barsch und schroff
• Reizbarkeit gegenüber ihren eigenen Kindern
• Reizbarkeit, Gereiztheit nach Koitus
• Ruhelosigkeit beim Schweiß
• Tanzen verbessert die Gemütssymptome
• Traurigkeit während der Menopause
• Trost verschlechtert
• Verweilt an unangenehmen Erinnerungen
• Weinen beim Erzählen ihrer Krankheit
• Zorn durch Widerspruch
• Gewissenhaft, peinlich genau in Bezug auf Kleinigkeiten
• Gleichgültigkeit gegenüber den am meisten geliebten Personen
• Reizbar, ist leicht gekränkt
• Ängstlich am Abend
• Abneigung gegenüber allem
• Traurigkeit, sieht alles schwarz in schwarz
• Traurigkeit von reizbaren Phasen unterbrochen

Modalitäten

Alle Beschwerden sind am Abend sowie am Morgen schlimmer. Während der Menstruation verstärken sich die Beschwerden. Ferner besitzen Sepia-Menschen eine Abneigung und Unverträglichkeit gegen Fett, Fleisch und Milch. Intensive körperliche Tätigkeiten wie beispielsweise Laufen, Tanzen oder Reiten verbessern den Zustand. Zudem lindern Bettwärme und heiße Auflagen die Leiden.  Darüber hinaus besteht ein Bedürfnis zu kräftiger Bewegung im Freien, auch wenn z. B. Kopfschmerzen vorhanden sind.

Weiterführende Literatur!

Eine bislang einmalige Darstellung der 35 wichtigsten Homöopathika. Verständlich und detailliert werden die typischen Charakterbilder vorgestellt, ohne deren Kenntnis eine sinnvolle Behandlung nicht zu leisten ist. Unentbehrlich für den Therapeuten und ein Weg zur Selbsterkenntnis und Intuition für den Laien. Dr. Philip Bailey studierte Homöopathie am Royal London Homeopathic Hospital und bei dem griechischen Homöopathen George Vithoulkas. Bailey hält weltweit Vorträge und Seminare und arbeitet als Arzt und Homöopath in Perth, Australien.

Psychologische Homöopathie
Persönlichkeitsprofile von großen homöopathischen Mitteln
von Philip M. Bailey und Gisela Kretzschmar

Broschiert: 544 Seiten
Verlag: TRIAS